Traust Du dir das zu? Mein Leben in der Altenpflege

Das Leben von Doris Röhlich-Spitzer ist von der Altenpflege geprägt wie kaum ein zweites: Mit vier Jahren lebte sie mit ihrer Familie auf dem Gelände eines Altenheims, mit 14 Jahren verdiente sie sich das erste Taschengeld auf einer Pflegestation. Ihre erste Station leitete sie mit 22 Jahren. Sie kennt die vielfältige Landschaft kommunaler, gemeinnütziger und privater Träger – kleine, große und superreiche. Sie führte zahlreiche Altenpflegeeinrichtungen in Köln und bundesweit, zuletzt trug sie als Geschäftsführerin die Verantwortung für sechs Einrichtungen. Heute unterstützt sie als Beraterin und Interimsmanagerin Einrichtungen, Träger und Investoren im Bereich stationärer Altenpflege.

Berufliche Höhen und Tiefen

In ihrem Buch „Traust du dir das zu? Mein Leben in der Altenpflege“ erzählt sie ihre Lebensgeschichte mit ihren privaten sowie beruflichen Höhen und Tiefen. Gleichzeitig beschreibt sie, wie sich die Altenpflege und ihre Arbeitsbedingungen in den letzten Jahrzehnten verändert haben und wie sie verbessert werden können. Anekdoten aus der deutsch-deutschen Pflegegeschichte bereichern das Buch: Lebhaft berichtet sie über den heimlichen Austausch mit ostdeutschen Kolleginnen vor der Wiedervereinigung auf der Damentoilette. Auch die Schrecken der zeitaufwändigen Heiminspektionen, die Auswirkungen von Hochwasser, Bränden und der Corona-Pandemie auf Heimbewohner- und MitarbeiterInnnen und hat sie erlebt und musste oft spontan Lösungen finden.

Die gesetzlichen Veränderungen seit Einführung der Altenpflege als eigenständigem Berufsbild hat sie ebenfalls „am eigenen Leib“ erfahren und ihre Auswirkungen im Pflegealltag beobachtet. All dies kommentiert sie unmissverständlich und fordert Bedingungen, die eine menschliche, ganzheitliche Altenpflege ermöglichen.

Auch ihre persönliche Geschichte liest sich hochinteressant und stand immer unter dem (Buch-) Motto: Traust du dir das zu?

Persönliche Geschichte

„Das schaffst Du nicht“ hörte sie leider öfter – wie so viele Frauen (nicht nur ihrer Generation). Als Vierjährige reiste ihre Mutter mit ihr und ihren Geschwistern aus der damaligen DDR nach Köln zum Vater, der bereits zuvor aus politischen Gründen den Osten verlassen hatte. Sie wuchs in einer typischen Atmosphäre im Nachkriegsdeutschland auf – nicht negativ auffallen, schaffen und sparen. Beide Eltern arbeiteten als Pfleger bzw. Küchenangestellte in den „Riehler Heimstätten”.

Die Mutter nahm die kleine Doris und ihre Geschwister um 5 Uhr früh mit zum Dienstanfang in die Großküche, wo sie begeistert beim Kartoffeln schälen half – heute unvorstellbar. Anachronistisch klingt es auch, wenn sie von ihrer ersten Liebe in den siebziger Jahren erzählt, die sie mit 18 heiratete, um dann in den Betrieb der Schwiegereltern einzutreten – „weil das eben so war“. Die Ehe verlief jedoch nicht glücklich, sie rang sich privat zu einem Neustart durch, den die Familie nicht guthieß. Sehr berührend berichtet sie, wie sie ihren zweiten Ehemann kennen- und lieben lernte, der sie auch bei ihren beruflichen Plänen immer voll unterstützte. Auch das Thema Kinderlosigkeit wird angesprochen – mutig, wenn man bedenkt, dass sie sich von den üblichen Rollenmustern frei machte.

Doris Röhlich-SpitzerBei ihren späteren Karriereschritten warnten Familie und KollegInnen sie eindrücklich davor, die sichere Anstellung bei einem städtischen Arbeitgeber aufzugeben. Doch frustriert von der Starrheit des Systems, wo sie neu gelerntes nicht umsetzen konnte, entschloss sie sich doch zum Wechsel.

Auch die Leitung einer neuen, großen Pflegeeinrichtung in der Kölner Südstadt wurde ihr nicht zugetraut – für alle LeserInnen ist es sicherlich inspirierend, wie sie doch immer auf ihre innere Stimme hörte, stets getrieben von dem Anspruch, die Altenpflege besser zu machen, was nur geht, wenn man eine einflussreiche Position innehat.

Wechsel in die Privatwirtschaft

Nach 18 sehr erfolgreichen Jahren in dieser Einrichtung stieß ihre Entscheidung zu einem Wechsel in die Privatwirtschaft komplett auf Unverständnis. Nicht nur die Eltern, auch KollegInnen, zweifelten an ihrem Verstand und Mut. Aber die Aufgabe, als operative Geschäftsführerin einer neuartigen Wohnanlage mit einem von ihr erstellten, zukunftsweisenden Konzept hat Doris Röhlich-Spitzer so begeistert, dass sie alle Bedenken über Bord warf.

Doch durch viele unglückliche Umstände wie Vorstandswechsel und fehlende finanzielle Mittel etc. scheiterte das Projekt. Mit bewegenden Worten schildert sie ihren verzweifelten Kampf als „David“ gegen „Goliath“, als Frau und Pflegeexpertin in einer männerdominierten Finanzwelt, wo letzten Endes dann doch nur der Profit zählt.

Die Entlassung war eine für sie sehr schlimme, bisher nie da gewesene Erfahrung und auf den Gang zum Arbeitsamt hätte sie gerne verzichtet. Und wer den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen …

Selbständige Beraterin

Sie baute sich eine Existenz als selbstständige Beraterin im Gesundheitswesen auf. Als ersten Auftrag hatte sie gleich einen Zwei-Jahresvertrag als operative Geschäftsführerin einer privaten Einrichtung erhalten. Wenn Sie von dem strengen Regiment eines eigenwilligen Unternehmers der alten Schule berichtet, liest sich das spannend wie ein Wirtschaftskrimi.

Sie berichtet von den verschiedensten Aufgaben, die sie landauf, landab, anfänglich auch in den neuen Bundesländern, bewältigte, von regionalen Mentalitätsunterschieden und vielen guten und weniger guten Eindrücken. Sie vertraute dabei auf ihr Wissen, dass sie sich bei zahlreichen Seminaren und Fortbildungen aneignet, immer parallel zum Vollzeitjob.

Nach dem Ausflug in die Privatwirtschaft zog es sie dann doch noch einmal zurück in den öffentlichen Dienst, als operative Geschäftsführerin eines großen Kölner Trägers, bei dem nicht nur die Bauten, sondern vor allem auch die internen Strukturen in die Jahre gekommen waren. Gespickt mit vielen Anekdoten („Teebeutel-Inventur“!) erzählt sie von einer solide geführten Organisation, die jedoch im Dornröschenschlaf lag. Mit viel Power und einem guten Team hat sie neben dem normalen Tagesgeschäft und bei vollem Betrieb fünf Umbaumaßnahmen der Gebäude geplant, umgesetzt und realisiert.

„Ruhestand“ lautet das letzte Kapitel – einerseits beschreibt es das Hinübergleiten vom hochaktiven Berufsleben in die Rente, die sie auch mit freiberuflichen Beratertätigkeiten verbringt, denn das Thema Altenpflege lässt sie nicht los. So erlebte sie den ersten Corona-Lockdown mit all seinen Widrigkeiten. Auch private Schicksalsschläge blieben ihr nicht erspart – so pflegte sie die eigenen Eltern und macht sich Gedanken über ihr eigenes Älterwerden. Das Buch schließt mit einer Bestandsaufnahme der aktuellen Pflegesituation und einer Vision für eine humane Altenpflege.

Fazit:

Diese ungewöhnliche Biographie von Doris Röhlich-Spitzer ist ein Mutmachbuch für AltenpflegerInnen, SeniorInnen und Angehörige. Sie möchte AltenpflegerInnen Mut machen, trotz schwieriger Umstände empathisch zu bleiben und die Aufgaben täglich neu anzunehmen. Sie wirbt mit viel Herzenswärme für ihren Beruf und möchte Neu- und QuereinsteigerInnen dafür begeistern. Angehörige und Interessierte erhalten einen Blick hinter die Kulissen einer Pflegeeinrichtung.

Elf Infokästen u.a. zu Ausbildung, Pflegeversicherung, MDK, Qualitätsmanagement, Wohn- und Teilhabegesetz sowie Altenpflege aktuell erläutern parallel zum Text die Hintergründe. Zahlreiche Farb- und s/w-Fotos sind interessante Zeitdokumente, die die Stationen der Autorin lebendig werden lassen.

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Bildquelle: edigo-Verlag

Traust Du dir das zu? Mein Leben in der Altenpflege

Ein Kommentar zu „Traust Du dir das zu? Mein Leben in der Altenpflege

  • 11. September 2021 um 6:58 Uhr
    Permalink

    Gerne würde ich mich der Lektüre der bewegenden Lebensgeschichte der Kölnerin Doris Röhlich-Spitzer widmen, um umfassende Einblicke in die stets widrige, aber wenig wertgeschätzte Pflegelandschaft zu erhalten.

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